Engpässe bei der Beschaffung von Herkunftsnachweisen aufgrund der EU-Richtlinie über Erneuerbare Energien (RED II)
Auf der Fachtagung der Bischoff & Ditze Energy am 13./14.09.2018 in Hamburg ging es um die Auswirkungen der voraussichtlich noch in diesem Jahr in Kraft tretenden EU-Richtlinie über Erneuerbare Energien auf die Beschaffung von Herkunftsnachweisen durch Energieversorger in Deutschland. Herkunftsnachweise werden über Importeure wie Bischoff & Ditze Energy bei ausländischen Anlagenbetreibern eingekauft und an Energieversorger geliefert, damit diese die Stromkennzeichnung „Grünstrom“, „Ökostrom“ oder „Strom aus Erneuerbaren Energien“ gegenüber ihren Endkunden verwenden können.
Bischoff & Ditze Energy sprach mit Herrn Rechtsanwalt Dr. Klaus Behrens, Rechtsexperte für die Energiewirtschaft, der im Rahmen der Fachtagung hierzu referiert hat.
Interview mit Herrn Rechtsanwalt Dr. Klaus Behrens, Leipzig, Rechtsexperte für die Energiewirtschaft
Bischoff & Ditze Energy (BDE): Was sagt die neue RED II-Richtlinie zu Herkunftsnachweisen?
RA Dr. Behrens: Die Richtlinie sagt, dass europaweit Herkunftsnachweise zur Kennzeichnung von Strom „aus Erneuerbaren Energien“ verwendet werden sollen. Sie erlaubt den Mitgliedstaaten dabei, den Betreibern von EE-Anlagen in den Umsetzungsgesetzen zusätzlich oder anstelle von Herkunftsnachweisen eine finanzielle Förderung zu gewähren.
Entscheidet sich ein Mitgliedstaat dafür, eine solche finanzielle Förderung zusätzlich zu Herkunftsnachweisen zu gewähren, sollen die Erlöse aus den Herkunftsnachweisen auf die Förderung angerechnet werden.
BDE: Welche Auswirkungen hat die RED II-Richtlinie auf die Beschaffungssituation der Energieversorger hinsichtlich Herkunftsnachweisen?
RA Dr. Behrens: Die Richtlinie hat gravierende Auswirkungen. Der Grund hierfür liegt in den Zeitabläufen bis zum Erlass der Umsetzungsgesetze durch die Mitgliedstaaten. Denn von der Zeitschiene her ist mit den Umsetzungsgesetzen erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 zu rechnen, so dass in jedem europäischen Mitgliedstaat ab 2021 neue Regeln für die Herkunftsnachweise gelten können.
Bei den hiesigen Energieversorgern führt dies zu Engpässen beim Import von Herkunftsnachweisen für die Jahre 2021 und später. Energieversorger decken sich üblicherweise für zwei bis drei Jahre im Voraus ein, um sich eine Mengen- und Preissicherheit für die Belieferung ihrer Kunden zu verschaffen. Für 2021 sind aber absehbar in den nächsten Jahren bis zum Erlass der Umsetzungsgesetze bestimmte Herkunftsnachweise nicht zu erhalten.
Betroffen sind vor allem qualifizierte Herkunftsnachweise, die von Energieversorgern für bestimmte Labels wie „HKN NEU100“ oder „ok-power“ verwendet werden. Denn diese qualifizierten Labels verlangen, dass die Herkunftsnachweise aus geförderten Neu-Anlagen (“HKN NEU100”) oder aus Anlagen stammen, die nicht noch zusätzlich finanziell gefördert sind (“ok-power”). Da die Umsetzungsgesetze in den Mitgliedstaaten aber erst im Jahr 2020 über eine solche Förderung von Neu-Anlagen zusätzlich oder anstelle von Herkunftsnachweisen entscheiden werden, halten sich Anlagenbetreiber von bestehenden oder im Bau befindlichen Neu-Anlagen beim Verkauf von Herkunftsnachweisen für das Jahr 2021 zurück.
Demgegenüber sind „einfache“ Herkunftsnachweise für Labels wie „RenewablePlus“, also aus älteren EE-Anlagen, schon heute für 2021 am Markt beschaffbar, weil die Anlagenbetreiber davon ausgehen, dass der Gesetzgeber solche bereits vor 5 oder 10 Jahren oder noch früher in Betrieb gegangene Anlagen nicht fördern wird.
Für die qualifizierten Herkunftsnachweise aber gibt es schon jetzt und wird es absehbar auch in den nächsten zwei Jahren eine Beschaffungslücke geben.
BDE: Welche Konsequenz hat dies für die Energieversorger hinsichtlich der Belieferung von Endkunden mit Strom aus EE-Anlagen?
RA Dr. Behrens: Die Konsequenz für Energieversorger ist eine bis in die zweite Hälfte 2020 andauernde Rechtsunsicherheit, ob und zu welchem Preis sie Grünstrom-Produkte für 2021 an ihre Kunden anbieten können. Die weitere Konsequenz ist, dass die Energieversorger ihre laufenden Grünstrom-Lieferverträge mit Endkunden, die z. B. eine Verlängerungsoption enthalten, rechtzeitig hinsichtlich ihrer Kündigungsrechte prüfen sollten. Denn sie müssten in 2019 bestehende 1- oder 2-Jahres-Lieferverträge mit Verlängerungsoption kündigen, weil sie die Weiterbelieferung mit Grünstrom in 2021 unter qualifizierten Labels wie „HKN100“ oder „ok-power“ nicht gewährleisten können. Außerdem sollten sie ab 2019 bzw. 2020 keine neuen 1- oder 2-Jahres-Lieferverträge über Ökostrom solcher qualifizierter Labels mehr abschließen, bevor nicht die Beschaffungssituation in den betreffenden Mitgliedstaaten, aus denen die Herkunftsnachweise stammen, für 2021 und später eindeutig geklärt ist.
Herr Dr. Behrens, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch und wünschen Ihnen und Ihrem Team weiterhin viel Erfolg bei der Beratung Ihrer Klienten!
Rechtsanwalt Dr. Klaus Behrens