Das EU-weite Herkunftsnachweissystem für
Wasserstoff aus erneuerbaren Energien

Interview mit CertifHy Projektkoordinator Wouter Vanhoudt, HINICIO

Nach dem Ende seiner Entwicklungs- und Planungsphase tritt CertifHy – das Projekt zur Etablierung eines europäischen Herkunftsnachweissystems für grünen und emissionsarmen Wasserstoff – nun in die Pilot- und Erprobungsphase. Als Energiedienstleister für grüne Energie, Herkunftsnachweise, Klimaneutralität und Ökostrom nimmt auch Bischoff & Ditze Energy an diesem Pilotprojekt teil. Wir haben mit dem Projektkoordinator Wouter Vanhoudt über den Stand der Implementierung gesprochen:

Bischoff & Ditze Energy (BDE): Was ist das Ziel des CertifHy Projektes?

Wouter Vanhoudt: Dieses Projekt soll den Weg für das erste prozessfähige EU-weite Herkunftsnachweissystem für umweltfreundlichen und CO2-armen Wasserstoff ebnen. Ein Pilotversuch soll unter Einbeziehung von Interessenvertretern die Gesetzmäßigkeit des Projektes erproben. Dieser Pilotversuch wird von HINICIO mithilfe eines Konsortiums bestehend aus ECN, GREXEL, Ludwig Bölkow System Technik (LBST), sowie dem TÜV SÜD und durch Finanzierung des FCH 2 JU durchgeführt.

 

BDE: Wer nimmt an diesem Projekt teil?

Wouter Vanhoudt: Während der ersten Phase des CertifHy Projektes wurde ein solides Fundament gelegt. Das besteht aus 14 Organisationen und rund 500 Interessenvertretern aus Industrie, Politik, Nichtregierungsorganisationen und Zivilgesellschaft, die in beratender Funktion beteiligt sind. Ich bin sehr zufrieden, dass wir nun soweit sind, mit mehr als 650 für den europäischen Markt repräsentativen Interessenvertretern in Dialog und Diskussion treten zu können. Die CertifHy Plattform für beteiligte und betroffene Interessengruppen umfasst Mitglieder von Industrie, Standardisierungsgremien & ausstellenden Stellen, Forschungsinstituten, Verbänden, kleinen und mittleren Unternehmen, Zivilgesellschaft und politische Entscheidungsträger. Diese begleiten den Prozess der Etablierung des Herkunftsnachweissystems und stellen sicher, dass es für alle Parteien gut nutzbar ist. Vier Pilotprojekte in Belgien, den Niederlanden, Deutschland und Frankreich sollen verschiedene Wasserstoff-Produktionsverfahren demonstrieren und die Anwendung von CertifHy Herkunftsnachweisen (HKNs) erproben.

 

BDE: An wen richtet sich dieses System? Wer sind die Endnutzer?

Wouter Vanhoudt: Das System richtet sich an alle Akteure in der Wertschöpfungskette: von der Produktion über die Distribution und den Handel bis hin zum Endkonsumenten. Verbrauchern wird so die Möglichkeit geboten, bewusst zu entscheiden welchen Wasserstoff sie erwerben wollen, sei es im Bereich der Mobilität, Industrie oder der energetischen Nutzung. Herkunftsnachweise sind ein Kernelement der Energie Union: Sie sind entscheidend für ein eigenverantwortliches Handeln von Verbrauchern.

 

BDE: Was ist ein Herkunftsnachweis für grünen und emissionsarmen Wasserstoff und wie funktioniert er?

Wouter Vanhoudt: Ein Herkunftsnachweis stellt Kunden Informationen über die Herkunft des jeweiligen Produktes bereit. Das System der grünen und emissionsarmen Herkunftsnachweise entkoppelt die grüne Eigenschaft vom physikalischen Produkt und macht grünen und emissionsarmen Wasserstoff EU-weit verfügbar, unabhängig vom jeweiligen Produktionsstandort, ähnlich wie das bereits existierende Herkunftsnachweissystem für erneuerbaren Strom. Dies ermöglicht die EU-weite, effiziente und verlässliche Verfügbarkeit von EU-grünem Wasserstoff.

BDE: Was sind die nächsten Schritte um dieses Ziel zu erreichen?

Wouter Vanhoudt: In den nächsten 12-18 Monaten wird das CertifHy Projekt seine Richtlinien, sowie die dafür relevanten Prozesse über den gesamten HKN-Lebenszyklus definieren: von der Auditierung der Wasserstoff-Produktionsanlagen, über die Zertifizierung von grünem oder emissionsarmen Wasserstoff bis hin zur Ausstellung, Lieferung, Verbuchung und Nutzung der Herkunftsnachweise.

 

BDE: Wie weit sind Sie bereits gekommen?

Wouter Vanhoudt: Zwischen 2014 und 2016 hat das CertifHy Projekt eine allgemeine, europaweite Definition von grünem Wasserstoff, sowie ein Herkunftsnachweissystem für Wasserstoff und einen Implementierungsfahrplan entwickelt. Jetzt kommt es auf die Lerneffekten an, die aus den EU-weiten Pilotprojekten hervorgehen. Daraufhin kann eine Implementierung vorbereitet werden.

 

BDE: Wofür kann ich grünen Wasserstoff nutzen?

Wouter Vanhoudt: Grüner Wasserstoff wird seine gesamte Produktionskette hindurch mit minimalem Verbrauch von natürlichen Rohstoffen produziert. Mit der Nutzung von grünen Wasserstoff können Kunden ihren Anteil an erneuerbaren Energien erhöhen und ihren Treibhausgas Ausstoß reduzieren. Dies kann sowohl in der Industrie bei der Herstellung von petrochemischen Produkten, Stahl, Halbleitern, Lebensmitteln und Glas, als auch in der Logistik Vorteile sichern. Es ist davon auszugehen, dass bis 2030 ca. 50-60% des Wasserstoffs im wachsenden Transportmarkt aus erneuerbaren oder emissionsarmen Quellen stammen wird.

 

BDE: Wird es verschiedene Qualitäten geben?

Wouter Vanhoudt: Die Qualität des Produktes Wasserstoff(-HKN), beispielsweise von CertifHy Green (grün) oder CertifHy Low Carbon (emissionsarm), hängt von den genutzten Ausgangsstoffen und der Effizienz des Produktionsprozesses ab. CertifHy Green (grüner Wasserstoff) bezeichnet Wasserstoff der mithilfe von erneuerbaren Energien erzeugt wurde. CertifHy Low Carbon bezeichnet Wasserstoff der mit effizienter und emissionsarmer konventioneller Energie hergestellt wurde. Beides mit geringem CO2-Fußabdruck, definiert per CO2-Faktor Vergleichsindex.

 

BDE: Was muss ich tun um meinen Kunden erneuerbaren Wasserstoff anbieten zu können?

Wouter Vanhoudt: Hersteller von grünem und emissionsarmem Wasserstoff können ihre Anlagen im Herkunftsnachweisregister registrieren. Ein Auditor wird die produzierten Mengen validieren und die entsprechenden handelbaren Herkunftsnachweise ausstellen. Händler haben dann die Möglichkeit diese Herkunftsnachweise auf dem Markt zu handeln.

 

BDE: Wie sehen Sie die weitere Zukunft für grünen und emissionsarmen Wasserstoff?

Wouter Vanhoudt: Die Energiewende ist im vollen Gange und Wasserstoff als Energieträger ist einer der notwendigen Bausteine um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Als Energieträger und chemischer Rohstoff ermöglicht emissionsarmer, grüner Wasserstoff die Dekarbonisierung von Transportwesen, Industrie und Wärme. Außerdem kann grüner Wasserstoff bei zeitweiligen Überschüssen an Erneuerbarer Energie* als Energiespeicher dienen. CertifHy Herkunftsnachweise sind zentral für, Entwicklung des Marktes für Wasserstoff, Verbesserung entsprechender Geschäftsszenarien, mehr Auswahl für Verbraucher und Schaffung der notwendigen Anreize im Markt. So wird Wasserstoff ein wichtiger Teil der Energiewende und des Energiesystems.

* Wenn Erneuerbare mehr Energie liefern als aktuell im Netz gebraucht wird, bspw. bei viel Wind oder Sonne.

 

Für mehr Informationen oder bei Fragen zu CertifHy und zu Herkunftsnachweisen für grünen Wasserstoff allgemein, wenden Sie sich gerne an uns.